14 März, 2017

Es bleibt nur das kratzige Gefühl im Hals

Manchmal schreie ich, so laut ich kann.

Warum?
Lag es daran, dass sie mich früh um fünf mit lauten Geschrei zu sich rief, um mir zu sagen, dass sie gerne zu mir kommen würde?
Lag es daran, dass ich nicht wieder einschlafen konnte?
Lag es daran, dass sie zum Zähneputzen wieder 15min brauchte?
Lag es daran, dass sie in Tränen ausbrach, weil ihre Strumpfhose auf links gezogen war?
Oder dass sie wütend wurde, weil sie mein "hmhm" als Antwort auf einen Satz überhörte und laut zu weinen beginn, weil sie meinte, ich hätte ihr nicht zugehört?
Lag es an der verschütteten Cornflakesmilch, die sie sich selbst eingoss?
Oder an dem pitschnassen Waschlappen, mit dem sie die Milch aufwischen wollte, aber stattdessen nur die stoffgepolsterten Stühle unter Wasser setzte?

Ich schreie! So laut ich kann.
Und es fühl sich komisch an. Schon während ich die lauten Töne aus meinem Mund kommen höre, fühle ich mich fremd und seltsam Die Stimme verändert sich, sie wird heiser, tiefer, scheint gar nicht mehr meine zu sein, füllt den ganzen Raum und kommt von überall her.



Darf ich mein Kind anschreien?
Bin ich dann authentisch? Bin ich einfach ein Mensch, der seinen Emotionen freien Lauf lässt, sie nicht unter Kontrolle hat? 


Ich muss kurz raus. An die frische Luft. 
Ich entscheide mich die Mülltonne von der gegenüberliegenden Straßenseite zurück zu holen. Ich gehe ohne Jacke raus, damit mir die Kälte ein wenig den Kopf frei pustet.
Auf dem Weg dahin höre ich in der morgendliche Stille Geschrei in einem Nachbarhaus. 
Die Satzfregmente, die da durch die Luft fliegen, klingen ganz ähnlich, wie die, die bei uns zu Hause gerade noch herumwirbelten. Laut! Teilweise gemein, wütend. Hilflos.

Ich denke mir, dass es beruhigend ist, dass es nicht nur mir so geht.
Und dennoch kommen mir die Tränen in die Augen.
Das war nicht fair ihr gegenüber.


Ich mag mich selbst nicht, wenn ich sie anbrülle.
Es ist ein Kontrollverlust und ich verliere die Kontrolle nicht gern. Erst recht nicht ihr gegenüber.
Ihre REaktion darauf verstört mich meist noch mehr. Sie wird leise. Sie schämt sich, weil sie mich wütend gemacht hat und ist wütend auf sich selbst, weil sie mir die Stimmung verdorben hat.

Es bricht mir das Herz.




Ich schreie nicht oft. Und ich schreie nie ohne Reue. Es tut mir leid!
Ich möchte mich in diesen Situationen gerne mehr unter Kontrolle habe. Denn ich weiß, dass dieser Kontrollverlust nichts besser macht. Dass er nichts bringt. Keine Erleichterung, keine Ruhe.
Am Ende umarmen wir uns, entschuldigen uns beide
Alles was bleibt ist ein kratziges Gefühl im Hals, dass mich noch eine Weile erinnert und mich sie an diesem Tag schmerzlich vermissen lässt, wenn ich bei der Arbeit sitze.


Nachdenkliche Lieblingsgrüße!



Edit:
Ein gutes Buch zum Thema, dass mir eine Leserin gerade empfohlen hat:
Mama, warum schreist du so laut? 
Danke Sabrina, für den Tipp und die nette Mail zum Thema.



4 Kommentare:

  1. Hej Linda,
    ich glaube, das ist uns allen schon zwischendurch passiert :0) manchmal kommt alles zusammen und zu viel und dann platzt die schnur... soll nicht sein, aber es passiert eben, so lange man dann wieder zurückfindet, ist das ok. und man nicht nur noch am brüllen ist, dann ist auch was schief. manchmal zähkle ich innerlich erstmal bis 10, bevor ich was sage- heute morgen habe ich in den schrank meiner tochter geschaut und hätte schreien können.... ich war dann nur sauer und habe einen etwas schärferen ton an den tag gelegt 0:) wenn du magst, schau mal rüber zu mir, hab was zu gewinnen und ein interessantes Interview: http://ulrikes-smaating.blogspot.dk/2017/03/interview-greta-und-das-rotkappchen.html
    ganz LG aus Dänemark, Ulrike :0)

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  2. Hallo du Liebe Mama!
    Ich kenne das auch und kann gut nachvollziehen, wovon du schreibst!
    Jede Mutter kommt dann und wann in eine solche Situation. Frau kann leider nicht immer die Nerven behalten.
    Trotzdem erkläre ich meinen Kindern immer, warum ich laut werde und sage ihnen auch wie lieb ich sie habe und das ich mir kein Leben ohne sie vorstellen mag. So ist es! Kinder brauchen viel Unterstützung und die kosten Kraft.
    Wir sind ja keine Maschinen.
    Was hilft .... tief durchatmen, leise in Gedanken bis 10 zählen und zwei Schritte zurückgehen. Musterunterbrechung!
    Ich wünsche dir auch weiterhin ganz viel Freude an deinem Kind!
    Und, du bist nicht allein! ;-)

    Liebste Grüße aus Heidelberg

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  3. Hey. Oh ich weiß ganz genau, was du meinst. Es ist furchtbar. Vor einiger Zeit bin ich über einen Artikel gestolpert
    http://m.huffpost.com/de/entry/9653422
    Und dann über noch einen:
    http://m.huffpost.com/de/entry/10854668

    Und tatsächlich. Ich habe (fast) aufgehört, zu schreien. Es hat mir geholfen, mich in mein Kinder zu versetzen, wenn Mama schreit😳. Und ich bemühe mich jetzt noch mehr, in jeder Situation erneut, ruhig zu bleiben. Es klappt fast immer.
    Danke, dass du immer so offen schreibst. Es fühlen sich bestimmt ganz viele von dir angesprochen und können sich oft in deinen Texten wiederfinden. Ich auf jeden Fall.
    Liebe Grüße

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  4. Hach ja... .ich habe 4 Kinder (die ich alle wie verrückt liebe) und ich bin leider nicht der geduldigste Mensch (das habe ich insbesondere erst durch die Kinder festgestellt). Ich habe wahrscheinlich deutlich öfter als Du dieses kratzige Gefühl im Hals. Nein, ich finde es nicht gut, zu schreien und trotzdem passiert es öfter, als ich möchte. In gewissen Situationen ist es sicher authentisch und Kinder können auch damit umgehen, dass Mütter nicht perfekt sind. Besonders dann, wenn Mütter sich das auch eingestehen und es ihren Kindern sagen. Ich entschuldige mich bei meinen Kindern genauso, für mein Fehlverhalten, wie ich es bei Erwachsenen tun würde. Trotzdem wünsche ich mir immer wieder, dass ich mich selbst besser unter Kontrolle habe... ich lese viel dazu und denke viel darüber nach. Und es gibt immer Zeiten, in denen es erstaunlich gut klappt. Das sind dann die Momente, die ich mir abspeichere und die mich glücklich machen.
    Auf das die glücklichen Momente ganz stark überwiegen mögen!

    Liebe Grüße
    Lilo

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